Abfindungszahlungszeitpunkt: Lebensmittelpunkt Deutschland oder USA
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Rechid,
Gemäß meiner Beschäftigungsjahre in zwei unterschiedlichen Ländern hat mir mein ehemaliger Arbeitgeber rund 4/7 meiner Abfindung in den USA und 3/7 in Deutschland ausbezahlt. Die Auszahlungen erfolgten beide im Folgejahr nach Vertragsauflösung (durch den Abfindungsvertrag) im Januar 2019. Die US Auszahlung wurde versteuert (Steuersatz rund 29%), die deutsche nicht. Ein internationaler Steuerberater meinte, dass in diesem Fall trotzdem von einer Zusammenballung des Einkommens ausgegangen werden kann und somit die Fünftelreglung Anwendung finden sollte, da die Abfindung mein Jahresbrutto überstieg.
Im Januar 2019 besaß ich bereits wieder einen Wohnsitz in Deutschland, aber auch jenen in den USA nach wie vor. Im Juli 2019 fand der offizielle Rückzug nach Deutschland statt. Nun möchte das Finanzamt wissen wo sich mein Lebensmittelpunkt von Jan-Juli 2019 befunden hat (vgl. Frage 3 im Anhang). Ich habe Nachweise für beide Szenarien.
Zu welcher Angabe würden Sie mir aus steueroptimierter Sicht raten und wieso? Worauf zielt der Lebensmittelpunkt in meinem Fall ab? Geht es hierbei um die Einstufung in beschränkte vs. unbeschränkte Steuerpflicht?
Eine weitere Frage des Finanzamts bezieht sich auf das Kindergeld vor dem Steuerjahr 2019 (Frage 2 im Anhang). Warum ist dieses überhaupt von Relevanz für das Steuerjahr 2019? In den deutschen Steuerklärungen vor 2019 habe ich bereits dazu Angaben gemacht.
Vielen Dank vorab für Ihre Einschätzung.
Freundliche Grüße
L.K.
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Antwort von Steuerberater Salar Rechid
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne komme ich zurück auf Ihre Fragen.
Das Finanzamt möchte mir der Frage zum Lebensmittelpunkt Ihre steuerliche Ansässigkeit nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA ermitteln.
Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist nach den Klauseln eines Abkommens nur dann möglich, wenn der Ansässigkeitsstaat und der Quellenstaat zutreffend bestimmt wird. Der Umstand, dass Sie im Steuerjahr 2019 über Wohnstätten in den USA und in Deutschland verfügten, führt jedoch zur Annahme einer doppelten Ansässigkeit. Damit steht nur fest, dass Sie dem Abkommensschutz unterliegen, nicht jedoch ob die USA oder Deutschland in 2019 als Ansässigkeitstaat anzusehen ist. Dieses Problem löst die sog. Tie-breaker-Rule nach Art. 4 Abs. 2 DBA-D/USA durch Prüfung bestimmter Merkmale in einer bestimmten Reihenfolge. Neben der ständige Wohnstätte ist auf die Kriterien Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt und Staatsangehörigkeit abzustellen.
Der Lebensmittelpunkt ist in diesem Fall entscheidend, wenn wie in Ihrem Fall in beiden Staaten ein Wohnsitz begründet wird. Er bestimmt sich nach bedeutenden persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu einem Staat im jeweiligen Steuerjahr.
Die wirtschaftliche Beziehung ergibt sich in der Regel aus einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit oder einer Einnahmequelle. Nach Ihrer Darstellung haben Sie Ihre berufliche Ausübung in den USA bereits in 2018 eingestellt, so dass Sie in 2019 zumindest beruflich gesehen keine besondere wirtschaftliche Bindung in den USA hatten. Ich gehe davon aus, dass Sie keine weitere Einnahmequellen in 2019 in den USA hatten. Aus wirtschaftlicher Sicht spricht dies daher gegen eine Ansässigkeit in den USA.
Die persönlichen Beziehungen zu einem Staat umfasst Ihre gesamte private Lebensführung. Hierzu gehören persönliche, familiäre, gesellschaftliche, politische oder kultirelle Bindungen in einem Staat. In der Praxis kommt vor allem der familiären Bindung ein besonderes Gewicht zu. Indizien für eine familiäre Beziehung ergeben sich aus dem Wohnort des Ehepartners bzw. des Lebensgefährten, der Kinder oder anderer naher Verwandter. Es sollte in Ihrem Fall daher darauf ankommen in welchem Staat Sie im Zeitraum Januar bis Juli 2019 Ihre stärkste persönliche Bindung im vorstehenden Sinne hatten. Nach Ihrer Darstellung erfolgte der "offizielle Umzug" nach Deutschland im Juli 2019. Geht man hierbei davon aus, dass dies wesentliche persönliche bzw. familiäre Indizien mitumfasst, so sollte dies ebenfalls gegen eine Ansässigkeit in den USA für das Jahr 2019 sprechen.
Insoweit sprechen insgesamt solide Gründe dafür, dass Sie für Zwecke des Abkommens bereits in 2019 in Deutschland steueransässig waren.
Aus steueroptimierter Sicht stimme ich dem Steuerberaterkollegen grds. zu, dass eine Zusammenballung der Abfindung angenommen werden kann, da diese insb. nicht in zwei unterschiedlichen Steuerjahren ausbezahlt wurde, sondern in 2019. Insoweit sprechen gute Gründe für die Anwendung der Fünftelungsregelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Bei einer angenommenen Abfindung von 100k EUR, liegt der Steuersatz regelmäßig bei ca. 13% und damit regelmäßig bei unter 29%. Die genaue Besteuerung hängt davon ab, ob Sie in 2019 weiterhin laufende Einkünfte bezogen und wie hoch die Abfindung konkret war. Alles in allem würde ich Ihnen daher eine entsprechende Argumentation zugunsten einer Steuerpflicht in Deutschland empfehlen.
Ihre Abfindung zählt grds. zu den Einlünften aus unselbständiger Arbeit nach Art. 15 DBA-D/USA. Demnach muss die USA die Abfindung grds. freistellen. Insoweit müssten Sie sich gegenüber den US-Finanzbehörden auf das Abkommen berufen.
Die Frage des Finanzamtes zum Kindergeld zielt aufgrund Ihres doppelten Wohnsitzes auf eine erneute Prüfung Ihres Anspruchs auf Kindergeld ab. Sofern Sie ohnehin als in Deutschland steueransässig angesehen werden, sollten sich hieraus bezüglich Ihres Anspruchs auf Kindergeld grds. keine Nachteile für Sie ergeben, da immer nur die Fälle als "exotisch" gelten, bei denen jemand im Ausland ansässig ist und Kindergeld bezieht.
Ich weise Sie hiermit vorsorglich auf das allgemeine Risiko hin, dass die deutsche oder US-amerikanische Finanzverwaltung eine abweichende Auffassung haben könnten.
Ich hoffe, dass ich Ihnen insoweit helfen konnte.
Mit besten Grüßen
Salar Rechid, LL.M.
Steuerberater
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Mit einem komplizierten Abfindungsfall, der unter das DBA USA-D fiel, stand er auch trotz mehrmaligen Nachfragens stets professionell Rede und Antwort.
Sehr kompetent und empfehlenswert!
Antwort des Experten: Vielen Dank und immer gerne!
vielen Dank für die rasche und präzise Antwort.
Eine Rückfrage dazu. Könnte gemäß Artikel 15 Abs. 2 OECD-MA nicht argumentiert werden, dass das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitstaat im Zeitpunnkt der Auszahlung der Abfindungszahlung zusteht? Wenn dem so wäre, dann wäre m.E. die Angabe von den USA als Lebensmittelpunkt vorteilhafter, da dort bereits die Besteuerung von 4/7 der Summe vorgenommen wurde und nicht damit zu rechnen ist, dass die anderen 3/7, die mir in Deutschland steuerfrei überwiesen wurden, nachversteuert würden. Oder anders ausgedrückt: Ließe sich durch die Angabe der USA als Lebensmittelpunkt und als Ansässigkeitsstaat somit eine Versteuerung in Deutschlang eventuell gänzlich vermeiden?
Freundliche Grüße
Der Ratsuchende
L.K.
die abkommensrechtliche Ansässigkeit richtig sich stets und nur nach den oben dargelegten Voraussetzungen nach Art. 4 des Abkommens. Die Frage ist ja wo Sie im Zeitpunkt der Auszahlung im abkommensrechtlichen Sinne Ansässig waren. USA oder Deutschland?
Wenn Sie für 2019 eine Ansässigkeit in den USA präferieren, dann argumentieren Sie vermehrt mit den persönlichen Beziehungen in den USA (Familie, enge Freunde, Mitgliedschaften, alles Persönliche was Ihnen sonst einfällt etc.). Beruflich könnten Sie argumentieren, dass Sie in 2019 (insb. im ersten HJ) auch in den USA nach alternativen Stellen suchten uns der Umzug nach Deutschland noch nicht klar war.
Den folgenden Hinweis gilt es jedoch zu beachten:
Wenn Sie jedoch zugunsten den USA argumentieren, dann könnte es aus deutscher Sicht ein Problem sein, dass 3/7 der Zahlung in den USA nicht besteuert wurden. Man spricht dann grds. von sog. weißen Einkünften, die weder der eine, noch der andere Staat besteuert hat. In diesem Fall kann Deutschland nach § 50d Abs. 9 EStG insoweit eine Besteuerung der 3/7 vornehmen, es sei denn, Sie erklären auch die 3/7 in den USA als steuerpflichtig und können dies auch nachweisen. Es handelt sich um eine sog. Treaty-Override-Regelung, die sich über das Abkommen hinwegsetzt.
Beste Grüße
Salar Rechid, LL.M
Steuerberater
ich möchte mich nochmals für Ihre schnelle und präzise Antwort bedanken. Seien Sie sich einer sehr guten Bewertung meinerseits gewiss.
Eine abschließende Frage:
Spielt für die Anwendung der Fünftelregelung der Lebensmittelpunkt eine Rolle? Sofern diese ausschließlich auf die 3/7 der steuerfrei in Deutschland ausgezahlten Abfindung anwendbar wäre (d.h. 1/5*3/7) ergäbe sich aufgrund keines weiteren Einkommens in 2019 (außer der Abfindung) ein zu versteuerndes Einkommen, welches unter dem Steuerfreibetrag läge und damit ein Steuersatz von 0%. Dies spräche dann ggf. für den Lebensmittelpunkt und eine Besteuerung in Deutschland.
Beste Grüße
Der Ratsuchende L.K.
die Bejahung des Lebensmittelpunktes in Deutschland führt zur Anwendung des EStG im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht. Richtig. Sind hierbei Lebenssachverhalte verwirklicht, die unter die Fünftelungsregelung fallen, so findet diese entsprechend Anwendung.
Beste Grüße
Salar Rechid
Ich werde mit Deutschland als Lebensmittelpunkt antworten und hoffe, dass die Fünftelreglung ausschließlich auf die 3/7 und nicht auf die Gesamtabfindung angewendet werden wird. Ansonsten unterläge ich tatsächlich einer doppelten Besteuerung.
Mit den besten Grüßen
Salar Rechid