7 Monate Kündigungsfrist nach Tarifvertrag?
Fragestellung
Guten Tag,
in der Anlage erhalten Sie eine Ansicht der Kündigung bei meinem derzeitigen Arbeitgeber und ebenso einen Auszug aus meinem Arbeitsvertrag (Kündigungsfristen). Ich bin seit Oktober 2000 dort angestellt.
Meine Frage ist, ob ich früher aus dem Vertrag aussteigen kann als zum 31.01.2019, vor allem falls sich vorher eine neue Beschäftigung findet. Auf einen Aufhebungsvertrag oder eine Freistellung möchte mein Arbeitgeber sich nicht einlassen; er hält mich hin und zögert die Zeit für die Suche nach einer Nachfolge für mich unnötigerweise hinaus.
Vielen Dank und Gruß,
B. W.
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Antwort von Rechtsanwältin Uta Ordemann
Sehr geehrte Mandantin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die wie folgt zu beantworten ist:
1.
In § 10 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass - soweit "durch Tarifvertrag" wegen längerer Betriebszugehörigkeit verlängerte Kündigungsfristen vorgesehen sind - diese für beide Vertragsteile in gleicher Weise gelten.
Damit hat der Arbeitgeber geregelt, dass für Sie auch die längere Kündigungsfrist aus dem "Tarifvertrag" zur Anwendung kommen soll. § 9 Ziffer 7 des MTV für den Groß- und Außenhandel Hessen sieht vor, dass sich die Kündigungsfristen nur einseitig für den Arbeitgeber stufenweise erhöhen.
Nach der gesetzlichen Regelung in § 622 BGB kann in einem Arbeitsvertrag aber grundsätzlich vereinbart werden, dass die längere Kündigungsfrist, die für den Arbeitgeber gilt, gleichermaßen für den Arbeitgeber zum Tragen kommt. Es darf für den Arbeitnehmer nur keine längere Kündigungsfrist als für den Arbeitgeber vereinbart werden (§ 622 Abs. 6 BGB). Von dieser Möglichkeit hat der Arbeitgeber hier Gebrauch gemacht und für Sie dieselbe Kündigungsfrist bei einer längeren Beschäftigungsdauer vertraglich vorgesehen. Dies ist rechtlich grundsätzlich zulässig.
2.
Falls Sie in einem Unternehmen des Groß- und Außenhandels im Land Hessen tätig sind, ist aber Folgendes zu berücksichtigen:
Nach meinen Recherchen ist der Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen seit 1997 allgemeinverbindlich. Das bedeutet, dass von diesen Vorschriften bei Arbeitnehmern, die in dem fachlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages tätig sind, einzelvertraglich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf, es sein denn, dass der Tarifvertrag ausdrücklich eine abweichende Vereinbarung durch einzelvertragliche Vereinbarung zulässt. Das ist bei § 9 Ziffer 7 aber nicht der Fall, so dass hiervon nicht zu Ihren Ungunsten im Arbeitsvertrag abgewichen werden durfte. Damit hätten Sie aufgrund der Kündigung am 18.6.2018 schon zu Ende Juli aus Ihrem Arbeitsverhältnis ausscheiden können.
Rein vorsoglich empfehle ich, auch noch einmal beim Betriebsrat nachzufragen, ob der MTV weiterhin allgemeinverbindlich ist. Das Tarifregister des Bundesarbeitsministeriums, in dem alle allgemeinverbindlichen Tarifverträge aufgeführt sind, wird derzeit überarbeitet. Nach dem letzten Stand vom Februar 2017, den ich im Internet finden konnte, ist der MTV aber weiterhin allgemeinverbindlich.
3.
Unabhängig davon könnte man hier auch noch dahingehend argumentieren, dass die Regelung in § 10 Ziffer 2 zu unbestimmt und auch aus diesem Grund unwirksam ist. Die Regelungen in einem vorformulierten Arbeitsvertrag müssen immer einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff BGB standhalten. Das bedeutet u.a., dass sie klar und für den Arbeitnehmer transparent sein müssen. Hier wird aber nur auf einen "Tarifvertrag" Bezug genommen, ohne dass dieser konkret bezeichnet wird. Daher könnte man so argumentieren, dass diese Regelung zu unbestimmt und damit unwirksam ist. Es muss sich für den Arbeitnehmer aus dem Vertrag klar und eindeutig ergeben, welche Frist für ihn gilt. Hierfür hätte der Tarifvertrag auch genau bezeichnet werden müssen, damit Sie wissen, welche Fristen im Falle einer längeren Beschäftigungsdauer für Sie zum Tragen kommen.
Hierauf kommt es letztlich aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des MTV für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen aber ohnehin nicht an, da die zwingenden Vorschriften dieses Tarifvertrages aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit zu beachten sind und damit - abweichend vom Tarifvertrag - im Arbeitsvertrag keine für Sie ungünstigeren Kündigungsfristen vereinbart werden durften. Der Tarifvertrag lässt die Möglichkeit einer abweichenden Regelung im Arbeitsvertrag in § 9 Ziffer 7 nicht zu.
Ich empfehle aber, in jedem Fall noch abschließend zu klären, ob der MTV weiterhin allgemeinverbindlich ist, bevor Sie an Ihren Arbeitgeber herantreten.
Falls Sie noch weitere Fragen haben, melden Sie sich jederzeit gern.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
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Sollte der MTV weiterhin allgemeinverbindlich sein, empfehle ich, rein vorsorglich das Arbeitsverhältnis erneut ordentlich mit einer Frist von 6 Wochen zu Ende Oktober zu kündigen, falls Sie zu diesem Termin schon aus dem Arbeitsverhältnis heraus möchten. Oder Sie bieten Ihrem Arbeigeber vor diesem HIntergrund nochmals einen Aufhebungsvertrag zu einem bestimmten Termin an. sobald feststeht, wann Sie die neue Stelle antreten werden.
Mit freundlichem Gruß
Uta Ordemann